Europäischer Gerichtshof: Umgangsrecht des leiblichen Vaters

Euro­päi­scher Gerichtshof für Menschen­rechte, Urteil vom 21.12.2010
Art. 8 der Euro­päi­schen Menschen­rechts­kon­vention gewähr­leistet ein Umgangs­recht des leib­lichen Vaters mit seinem Kind, selbst wenn er noch keine sozial-familiäre Beziehung zu seinem Kind aufbauen konnte.
Die beste­hende fami­liäre Beziehung zwischen dem Kind und seinen recht­lichen Eltern hat nicht grund­sätzlich Vorrang gegenüber der auf Abstammung beru­henden Beziehung zum Vater. Es muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Verwei­gerung des Umgangs mit dem Wohl des Kindes vereinbar ist.

Der nige­ria­nische leib­liche Vater 5jähriger Zwil­linge lebte von 2003 bis 2008 in Deutschland, seitdem in Spanien. Er hatte ab 2003 eine zwei­jährige Beziehung mit der mit einem anderen Mann verhei­ra­teten Mutter. Die Zwil­linge wurden vier Monate nach Been­digung dieser Beziehung geboren und werden seitdem von der Mutter und deren Ehemann, der recht­licher Vater ist, zusammen mit drei weiteren gemein­samen Kindern aufgezogen.
Das Ehepaar gewährte dem leib­lichen Vater keinen Umgang. Dagegen gerichtete Anträge wurden von den deut­schen Gerichten abge­lehnt, weil das BGB in § 1684 nur dem recht­lichen Vater , in § 1685 zwar anderen engen Bezugs­per­sonen Umgang zubilligt, aber nur, wenn bereits eine Bindung besteht.
Art. 8 der EMRK gewährt das Recht auf Achtung des Privat– und Fami­li­en­lebens. Die vorlie­gende Entscheidung fasst darunter das Recht auf Achtung des beab­sich­tigten Fami­li­en­lebens.
In dieses Recht haben nach dem vorlie­genden Urteil des EUGHMR die deut­schen Gerichte ohne ausrei­chende Gründe einge­griffen, weil sie nicht überprüft haben, ob die Herstellung eines Umgangs­kon­taktes im Interesse der Kinder geboten sei. Außerdem sei unbe­rück­sichtigt geblieben, dass das Fehlen der sozial fami­liären Beziehung des leib­lichen Vaters zu seinen Kindern diesem nicht zuzu­rechnen sei, weil er sich ab Geburt der Kinder um Umgang bemüht habe. Es käme in Betracht, dass in diesem Fall das Kindeswohl das Interesse der Eltern an einem unge­störten Fami­li­en­leben überwiege.
Infolge dieses Urteils muss künftig in jedem einzelnen Fall geprüft werden, ob das Wohl des betrof­fenen Kindes einen Umgang mit dem leib­lichen Vater erfor­derlich macht. Dies gilt auch, wenn der leib­liche Vater bisher keinerlei Kontakt zu seinem Kind hatte und ein anderer die recht­liche und soziale Vater­schaft mit den damit verbun­denen Pflichten übernommen hat.

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