Unterhaltsanspruch nach Eintritt in Rentenalter

Urteil des BGH vom 08.06.2011,  AZ: XII ZR 17/09
Im Rahmen einer Abän­de­rungs­klage stellte sich die Frage, ob ab Renten­bezug der unter­halts­be­rech­tigten Frau noch immer Unter­halts­zah­lungen geschuldet sind. Denn laut Recht­spre­chung des BGH werden unbe­fristete Unter­halts­zah­lungen nach der Scheidung der Ehe nur dann geschuldet, wenn fort­dau­ernde ehebe­dingte Nach­teile nach­weisbar sind.
Ab Renten­alter aber sollen die ehebe­dingten Nach­teile bei dem Erwerb von Renten­an­wart­schaften in der Regel durch die Durch­führung des Versor­gungs­aus­gleichs ausge­glichen sein.
In diesem Fall jedoch hatte der Ehemann nur eine geringe Zeit der gesamten Ehedauer in die Renten­ver­si­cherung einbe­zahlt, die Ehefrau erhielt im Rahmen des Versor­gungs­aus­gleichs Anwart­schaften im Wert von nur DM 107,18, bei einer Ehedauer von 28 Jahren.
Damit könnte ein fort­dau­ernder Unter­halts­an­spruch bestehen. Die Ehefrau hatte jedoch während der Ehe als Ausgleich für ehever­traglich verein­barte Güter­trennung ein Einfa­mi­li­enhaus im Wert von DM 650.000,00 und später noch DM 95.000,00 aus der Teilungs­ver­stei­gerung einer gemein­samen Wohnung erhalten. Deshalb müsse überprüft werden, ob diese Beträge ausrei­chend seien, um alle ehebe­dingten Nach­teile zu kompen­sieren. Dabei müsse ermittelt werden, wie die finan­zielle Lage der Frau ohne Ehe und die klas­sische Rollen­ver­teilung heute wäre.
Darüber hinaus sei aber zugunsten der Frau zu berück­sich­tigen, dass neben der Kompen­sation ehebe­dingter Nach­teile Unter­halts­an­sprüche auf nach­e­he­licher Soli­da­rität beruhen können, die aller­dings umso schwächer werde, je länger die Ehe zurückliege.
Der BGH hat die Entscheidung aufge­hoben und an das Ober­lan­des­ge­richt zur weiteren Sach­ver­halts­auf­klärung zurückverwiesen.
Anmerkung:
Die beiden Parteien sind 1944 und 1949 geboren. Die Frau war 19 Jahre alt, als sie heiratete. Nur wenigen Mädchen und jungen Frauen wurde damals erlaubt, einen Beruf zu erlernen, der hohe Einkünfte und Karrie­re­mög­lich­keiten bietet, da “Mädchen ohnehin einmal heiraten, den Haushalt führen, die Kinder betreuen und vom Mann versorgt werden”. Wenn man sich also Ehe und klas­sische Rollen­ver­teilung hinweg­denkt, dann wäre die große Mehrheit der Frauen, die sehr jung und ohne vernünftige Berufs­aus­bildung heiratete, heute  bei einem Mindest­selbst­behalt einzustufen.
Es reicht nicht, sich Ehe und Rollen­ver­teilung hinweg­zu­denken und die Frauen auf ihren brot­losen Berufen fest­zu­nageln, sondern man müsste die ganze Gesell­schafts­ordnung der 50er und 60er, bis in die 70er Jahre hinein hinweg­denken, um den tatsäch­lichen ehebe­dingten Nachteil ermitteln zu können.

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